MEHR REGIONALE BAUSTOFFE EINSETZEN

17.01.2022


Starke Partner - Interview mit Katharina Metzger


Frau Metzger, der Bau boomt nach wie vor. Gute Zeiten für Baustoffhändler und Bauträger?

Katharina Metzger Das stimmt! Dennoch bergen die aktuellen Rahmenbedingungen auch erhebliche Herausforderungen. Die Lieferketten einiger Produkte sind durch die Auswirkungen der Pandemie gestört. Arbeitskräfte aus dem Ausland nicht so ohne Weiteres verfügbar, vor Ort auf der Baustelle, aber auch in der Logistik. Und das sind Rahmenbedingungen für das Wirtschaften am Bau, die so nicht vorhersehbar waren. Wir sitzen mit langjährigen Kunden wie beta oder anderen Bauträgern in einem Boot. Der Endkunde fragt zu Recht, warum es immer teurer wird, zu bauen. Und das liegt nicht nur an den Baustoffen.


Was sind für Sie die wesentlichen Faktoren für die Preisentwicklung am Bau?

Metzger Grundsätzlich gilt: Die Regulierungswut in den Verordnungen, lange Bearbeitungszeiten bei Bauanträgen und immer mehr Auflagen fördern nicht gerade ein besseres Investitionsklima. Mehr Auflagen bedeuten in der Regel mehr Kosten und Aufwand für Bauträger und Projektentwickler durch zusätzliche Konzepte und Gutachten. Hinzu kommt, dass Grundstücke ein knappes Gut sind und immer teurer werden. Baulandverknappung und -verteuerung haben zur Preisexplosion spürbar beigetragen.


Wie hat sich konkret die Corona-Pandemie für den Baustoffhandel ausgewirkt?

Metzger Wir sind zunächst von einer Corona-Delle ausgegangen, Diese Delle gibt es definitiv nicht. Glücklicherweise haben wir es geschafft, dass der Baustoff-Fachhandel als systemrelevant eingestuft wurde. Insofern war die komplette Produktion möglich. Trotzdem haben Umwelteinflüsse in Amerika und Fernost Produktionen beeinträchtigt und die Pandemie hat zur Unterbrechung der Lieferketten aus Asien und Amerika geführt. Die Weltmarktpreise reagieren sofort. Die vorübergehende Reduzierung der Lieferkapazitäten und Werkshavarien haben unser Geschäft und das unserer Partner heftig beeinflusst. Das Unglück am Suez-Kanal hat uns weltweit gezeigt, wie empfindlich Lieferketten reagieren. Die Lieferzeiten für Dämmstoffe sind aufgrund von Produktionsstilllegungen teilweise auf drei bis fünf Monate angestiegen, die Preisentwicklung war in vielen Bereichen wie Holz und Stahl extrem. Glücklicherweise ist inzwischen aus der Preissteigerung eher eine Seitwärtsbewegung geworden. CO2-Abgaben und steigende Energiekosten waren schon vor Corona ein Thema. Ein weiterer Aspekt: Logistik funktioniert nur mit Personal. Allein in Deutschland fehlen aber nach Branchenangaben 30.000 Lkw-Fahrer. Das sorgt auch dafür, dass Material nicht just in time da ankommt, wo es sein sollte. Was schon paradox ist an diesem Punkt, dass wir uns eigentlich weniger Verkehr wünschen, es aber klar ist, dass wir bis 2030 viel mehr Lkw-Verkehr auf der Straße bekommen werden.


Was muss passieren, damit der Anteil an bezahlbarem Wohnraum wächst?

Metzger Planungs- und Genehmigungsprozesse müssen schneller werden, Das politische Ziel unseres Bauministers, rund 1,5 Millionen Wohnungen pro Legislaturperiode oder 400.000 Wohnungen pro Jahr zu bauen, wird seit Jahren verfehlt. Effizientere Genehmigungsverfahren würden sicher dafür sorgen, dass die Bauträger dem Markt mehr als die im letzten Jahr gebauten 300.000 Wohnungen pro Jahr zur Verfügung stellen können. Außerdem muss entsprechendes Bauland zur Verfügung gestellt werden. Was Bauträgern und Projektentwicklern zusätzlich helfen würde, sind verlässliche Rahmenbedingungen, die über eine Legislaturperiode hinausgehen.


Warum wird der Erwerb des Baulandes immer als wesentlicher Kostentreiber benannt?

Metzger Sobald Sie in Ballungsräumen Bauland zu Marktbedingungen erwerben, ist es kaum möglich, unter Berücksichtigung normaler Renditen Wohnungen mit einer Nettokaltmiete unter 12,50 Euro /m2 anzubieten. Rechnen Sie dann die Nebenkosten hinzu und schauen auf die exorbitant steigenden Energiekosten, werden Sie sehr schnell feststellen, dass solche Wohnungen für Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen nicht mehr bezahlbar sind.


Welche wesentlichen Herausforderungen sehen Sie auf die Immobilien- und Baubranche zukommen?

Metzger Wir bauen in Deutschland einen der besten Standards der Welt – im Neubau. Hier ist ein Optimum erreicht, was Energieverbräuche, Komfort und Wohfühlfaktor der Bewohner angeht. Wir wollen auch das Klima retten. Aber das geschieht nicht, wenn wir in den Ministerien nicht mit den richtigen Werten rechnen. Keiner will im Winter wirklich bei 19° Grad in seinen eigenen vier Wänden leben. 22° C ist der Standard. Und wenn es zu warm wird, wird gelüftet. Das ist das individuelle Nutzerverhalten.

 Wir bauen jährlich 300.000 Wohnungen neu. Das sind 0,7 Prozent des Bestandes von rund 42.000.000 Wohnungen. Wir retten das Klima nicht mit dem Neubau, sondern mit dem Bestand. Und die Technik darf nicht überschätzt werden. Die treibt nicht nur die Kosten, sondern braucht auch Strom und Wartung – und ist selbst bei bester Pflege nicht annähernd so langlebig und nachhaltig wie die übrigen Gebäudeteile mit Wänden, Dach und Bauelementen. Und wir brauchen ein baufreundliches Klima in der Bevölkerung. Wohnen ist ein Grundbedürfnis. Die Bevölkerungsprognostiker lagen in den letzten zehn Jahren grandios daneben. Wir sind nicht 79 Mio. Einwohner, sondern 83,1 Mio. Und die wollen wohnen! Das kostet Baustoffe, die in der Regel aus heimischen, regionalen Abbaustätten kommen. Wir haben keine Sandknappheit, wir haben eine Sandgenehmigungsknappheit in Deutschland.


Was wünschen Sie sich speziell für Ihre Branche?

Metzger Ich würde es begrüßen, wenn regionale Bauträger vor allem auch regionale Baustoffe einsetzen. Schiefer und Ton sind Beispiele für hochwertige Baustoffe, die vor allem regional eingesetzt werden können. Damit bleibt die Wertschöpfung in der Region und Bauen bleibt individuell.


Welche Trends erkennen Sie heute bei Bauträgern, wenn es um die Planung der Häuser geht?

Metzger Der Anteil nicht tragender Wände wächst. Bauherrn möchten flexibel bleiben in der Planung und Gestaltung ihrer Räume. Entsprechend wird das von den Bauträgern berücksichtigt. Ziehen die Kinder aus, werden ein paar Wände versetzt und schon haben die Eigentümer neue, individuelle Räume geschaffen. Dafür muss keiner erst ein neues Haus kaufen. Die Flexibilisierung der Wände mit Trennwänden in Leichtbauweise ist ein deutlich feststellbarer Trend.


Noch eine konkrete Frage zur Zusammenarbeit mit der beta. Sie arbeiten als Partner bei der Entwicklung des Kronprinzenviertels zusammen. Welche Bedeutung hat dieses Projekt für Sie?

Metzger Wir haben den Planungsprozess von Anfang an begleitet - und das somit schon mehr als sieben Jahre. Allein im ersten Bauabschnitt werden bei diesem beta-Projekt in fünfstelliger Kubikmeter-Größenordnung Kalksandsteine, Beton und eine ebenfalls fünfstellige Quadratmeterzahl an Geschossdecken und Wandelementen verbaut. Wir sind stolz darauf, dieses Dortmunder Leuchtturmprojekt über unsere Niederlassung in Kamen zu begleiten. Das Projekt ist übrigens ein schöner Beleg dafür, dass es einen langen Atem und entsprechender Kapitalausstattung bedarf, um so eine Investition zu realisieren. Wir haben - und das ist kein Lippenbekenntnis, weil dieser Satz im Hausmagazin steht - die Treue von beta zu Fachunternehmen schätzen gelernt. Wir schätzen die beta als treuen, fairen Partner mit hohem Qualitäts- und Leistungsanspruch und als zuverlässigen Zahler.


Katharina Metzger (56) führt als geschäftsführende Gesellschafterin die Metzger-Gruppe in zweiter Generation. Das Unternehmen realisiert an elf Standorten, vornehmlich nördlich der Main-Linie, einen Umsatz von rund 140 Mio. Euro. Schwerpunkte sind die Bereiche Trockenbau, Hoch-, Tief- und Galabaustoffe. Seit Oktober 2020 ist sie als erste Frau in der 118-jährigen Verbandsgeschichte Präsidentin des Bundesverbandes Deutscher Baustoff-Fachhandel (BDB).